Alles anzeigenVom Rampenlicht der IAA auf den Boden der Tatsachen: der neue VW Tiguan im Easy-Index. Wir haben das Wolfsburger SUV unter die Lupe genommen.
Seinen allerersten Auftritt hatte der neue VW Tiguan auf der IAA im September 2015, seitdem ist er in der Versenkung verschwunden. Aber das war genau so geplant! Erst im April 2016 kommt der Kompakt-SUV auf den Markt. Zumindest für VW kein Problem, das aktuelle Modell verkauft sich immer noch blendend. Allein in vergangenen Jahr hat der Tiguan in Deutschland rund 62.000 Kunden gefunden, bis er in Rente geht, dürften es knapp drei Millionen Exemplare weltweit werden. Kein Wunder also, dass die Erwartungen an Tiguan Nummer zwei ziemlich groß sind. Liegt auch an der immer stärker werdenden Konkurrenz. Von unten drücken die Koreaner, die mit den neuen Hyundai Tucson und Kia Sportage kräftig in Qualität und Technik investiert haben. Und aus dem Premiumsegment nimmt BMW den Tiguan in die Zange, der X1 ist nicht nur gewachsen, sondern auch vergleichsweise günstig.
Der neue Tiguan sieht aus wie ein kleiner Touareg
Um die Wartezeit auf den neuen Tiguan zu verkürzen, haben wir das Kompakt-SUV zu einem erneuten Auftritt gebeten – nicht im schillernden Rampenlicht, sondern in einem Fotostudio in Wolfsburg. Denn wir wollen wissen: Wie praktisch ist der neue Tiguan geworden? Und wie groß? Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass das SUV ganz schön zugelegt hat. Der Auftritt ist stattlich, die neue Front strahlt jede Menge Selbstbewusstsein aus. Umso erstaunlicher der Blick auf das Maßband: Der Tiguan ist grade mal sechs Zentimeter gewachsen – nicht der Rede wert. Weil aber gleichzeitig der Radstand um acht Zentimeter auseinandergezogen wurde, ergeben sich bessere Platzverhältnisse in Fond und Kofferraum. So lümmelt es sich selbst als Zweimeter-Mann fast schon opulent, und der Gepäckraum fasst 145 Liter oder zwei große Koffer mehr als bisher. Keine Frage, der Tiguan hat an Größe gewonnen. Dazu kommt, dass VW nicht nur am Platzangebot gearbeitet hat. Die Türausschnitte sind größer, der Einstieg gelingt so spürbar komfortabler.
Der Kofferraum ist gewachsen und leichter zu beladen
Und auch die Sitzhöhe hat sich verändert. Zwar thront es sich immer noch erhaben über dem restlichen Verkehrsgeschehen, aber nicht mehr so hoch wie im aktuellen Modell. Mit einer Sitzhöhe von 650 Millimetern erreicht der neue Tiguan sogar das AUTO BILD-Idealmaß – und damit volle Punktzahl im Easy-Index. Und auch der Kofferraum ist nicht nur größer geworden, sondern deutlich besser zu beladen. Die Ladekante ist vier Zentimeter niedriger als bisher, die störende Innenladekante ist dank eines doppelten Ladebodens gänzlich verschwunden. Gleichzeitig hat Volkswagen aber die praktischen Talente des aktuellen Tiguan nicht aufgegeben. So ist die Rückbank wie in einem Van verschiebbar, lässt die Wahl zwischen a) viel Platz im Fond oder b) eine Menge Raum fürs Gepäck. Mindestens genauso wichtig wie diese praktischen Talente ist die renovierte Inneneinrichtung des Tiguan. Das Cockpit ist im Stil von Golf Sportsvan und Touran gehalten. Ein riesiger Fortschritt, nutzte doch der alte Tiguan noch den angestaubten Instrumententräger des ersten Golf Plus. Anders noch als bei den Messemodellen der IAA wirken die verwendeten Kunststoffe hochwertig, sind bestens verarbeitet. Einzig im unteren Armaturenbereich passt das harte Plastik nicht zum hohen Anspruch der Marke.
Im Gegensatz zur neuen Technik, die mit Nutzung des modularen Baukastens (MQB) in den Tiguan Einzug gehalten hat. An erster Stelle steht das neue Navigationssystem, das sich nicht nur wegen seines großen Acht-Zoll-Bildschirms besser bedienen lässt, sondern auch, weil es höher positioniert ist. Wichtigste Neuerung: Der Tiguan geht endlich online! Das System wird man im Alltag wohl weniger nutzen, um Nachrichten aus sozialen Netzwerken oder Wetterberichte abzurufen – aber zum Navigieren.
Die Gelände-Ambitionen scheinen durchaus ernst
Und hier verwendet VW nun Technik, wie sie schon seit Langem bei Audi, BMW und Mercedes zum Einsatz kommt. Verkehrsdaten in Echtzeit bedeuten, dass sich die Chance, im Stau zu stehen, deutlich verringert. Aber auch das ist typisch VW: Die Nutzung dieser Dienste ist nur für ein Jahr kostenfrei, danach werden 100 Euro im Jahr fällig. Die Konkurrenten aus Korea sind hier spendabler, sie bieten die Online-Dienste des Spezialisten TomTom kostenfrei für fünf (Hyundai) und sieben (Kia) Jahre an. Neben dem Navi-System hat VW eine Menge neuer Technik in den Tiguan gebracht. So ist erstmals ein Head-up-Display lieferbar, das wichtige Informationen in das Sichtfeld des Fahrers spiegelt. Anders als die Konkurrenten von BMW im X1 bringt VW die Daten aber nicht direkt auf die Frontscheibe, sondern nutzt eine ausfahrbare Plexiglas-Scheibe – das ist nicht wirklich elegant. Ebenfalls von der Konkurrenz bekannt sind die Fahrprogramme, die VW nun für den optionalen Allradantrieb 4Motion anbietet. So lassen sich vier verschiedene Modi einstellen, für Fahrten auf Schnee, in den Bergen und auf der Autobahn. So oder so ähnlich gibt es das bereits bei Land Rover, es zeigt aber, dass es VW ernst meint mit den Geländeeigenschaften des Tiguan. Denn wie gehabt gibt es eine Offroad-und eine Straßenversion, die sich durch die Gestaltung der Frontschürze unterscheiden.
Volle Hütte gibt es auch beim Tiguan nur gegen Aufpreis
Für unser Fotomodell spielt Gelände wohl keine Rolle, es war mit dem R-Line-Paket ausgestattet – mit den breiten 20-Zoll-Rädern soll der Tiguan eher auf den Boulevards dieser Welt eine gute Figur machen. Wozu auch die Armada von Sicherheitsassistenten passt, die VW dem neuen Tiguan mit auf den Weg gegeben hat. Ob Totwinkelwarner, Spurhalteassistent oder Abstandsradar – alles zumindest gegen Aufpreis an Bord. Extras, die es noch vor ein paar Jahren nur in der Luxusklasse gegeben hat. Um noch einen Schritt weiterzugehen: Der Tiguan kann auch mit einem Stauassistenten ausgerüstet werden, der bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h selbstständig die Spur und den Abstand zum Vordermann hält. Haben wir bereits in einem Passat ausprobiert – wirklich komfortabel und eine Erleichterung im Alltag. Der Alltag – unser Stichwort. Hier fühlt sich der neue Tiguan sichtbar wohl. Und auch messbar. Wie der deutliche Vorsprung gegenüber dem aktuellen Modell im Easy-Index zeigt. Während Tiguan Nummer eins mit einer Punktzahl von 65 schon ordentliche Praxistauglichkeit zeigt, überholt der Neue ganz lässig mit einem Vorsprung von 11,5 Punkten.
Bleibt der Preis. Noch gibt es keine Angaben, VW lässt aber durchblicken, dass er nicht teurer werden soll. Seinen nächsten Auftritt hat der neue Tiguan dann im April 2016 – bei den Kunden.
Stefan Voswinkel, Fazit:
Auch wenn man kein Fan von SUVs ist, macht es der neue Tiguan einem schwer, ihn nicht zu mögen. Und das ist wohl der größte Fortschritt gegenüber dem aktuellen Modell. Tiguan Nummer zwei wirkt spürbar erwachsener, bietet mehr Platz als bisher – ohne aus dem Leim zu gehen. Das passt in den Alltag und kostet gegenüber dem aktuellen Modell wohl keinen Aufpreis. Wie gehabt geht es bei unter 26.000 Euro los.