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Volkswagen macht aus dem guten Kumpel Tiguan einen seriösen Begleiter. Das SUV ist stattlicher geworden. Jetzt ist Platz für kleine Geschwister.
Der Tiguan hat fast geschafft, was der Golf schon seit Jahrzehnten ist: ein klassenloser Begleiter für alle Tage zu sein. Im Jahr 2008 fuhr der Geländewagen auf die Straße und hat seither 2,8 Millionen Freunde und, nicht ganz unwichtig, Freundinnen gefunden. Sie schätzten an ihm, dass er mit einer gewissen Unbekümmertheit wie ein guter Kumpel wirkte und sich in die Reihenhaussiedlung so harmonisch einfügte wie abends vor der Alten Oper. Doch Volkswagen war damit nicht mehr so recht zufrieden, schließlich gilt es, sich rund dreißig Wettbewerbern zu erwehren. Das Platzangebot sollte zulegen, auch der Komfort, und überhaupt hat Wolfsburg eine neue Designrichtung eingeschlagen, die horizontaler Strenge folgt. Sie würden wohl sagen: entschlossener, erwachsener.
In der Tat ist der neue Tiguan, dessen erste Exemplare Anfang Mai in Kundenhand gelangen sollen, stattlicher geworden. Die Außenlänge hat um 6 Zentimeter auf 4,49 Meter zugelegt, der Radstand um deren acht, breiter ist er auch, dafür aber etwas flacher. Die Fronthaube steht höher, dem Dach wurde sein Buckel ausgebügelt, die seitliche Kante auf Höhe der Türgriffe fließt hinten um bis in die Rücklichter. Alles wirkt ein wenig eckiger. Innen sitzt der Fahrer einen Hauch höher, was Kontakt mit der Decke befürchten lässt. Doch die recht aufrecht stehende obere Hälfte des Wagenkörpers schafft Raum am Kopf.
Ein bisschen führt die gestalterische Linie zurück zu den Steilwänden der Minivans, das wird vor allem beim Blick von hinten deutlich. Der Effekt ist zweifellos bemerkenswert, es herrschen im Vergleich zum Vorgänger luftigere Platzverhältnisse auf großzügigem Gestühl, auf den zweieinhalb Sitzgelegenheiten hinten genießen die Knie mehr Freiheit. Der über eine niedrige Kante und die größere Heckklappe zu befüllende Kofferraum nimmt nun im Normalzustand 520 Liter auf. Weil die Rückbank um 18 Zentimeter verschiebbar ist und das Mobiliar die Kunst des Faltens beherrscht, sind im besten Fall 1655 Liter drin. Bis zu 2500 Kilogramm schleppt die Anhängerkupplung.
Erstmals ist das digitale Cockpit verfügbar
Das Interieur ist angerichtet wie in Golf oder Passat, mit zeitlosem Charme ohne übertriebenen Chic. Die Schalter liegen gut zur Hand und rasten sauber, das Lenkrad ist ein kräftiger Kranz, nichts knarzt. Erstmals ist das digitale Cockpit verfügbar, es ist das futuristischste Element. Der berührungsempfindliche Bildschirm in der Mitte ist groß, flink in seinen Reaktionen und gut ablesbar. Geschwindigkeit und Navigation zeigen sich nun auch oberhalb des Armaturenträgers, Volkswagen wählt aber nicht die elegante Lösung der Einspiegelung in die Windschutzscheibe, sondern die billigere einer ausfahrenden Plastikscheibe.
Löblich ist die Änderung am Heck, dort haust die Rückfahrkamera nicht mehr im Emblem, das ausklappend nach Ranzen haltenden Kinderfingern schnappt. Der Kofferdeckel wird jetzt mit Taste oder Fußbewegung geöffnet. Nicht so gut gefällt uns die Lichtgrafik hinten, vor allem das unten mit vier Punkten aufscheinende Bremslicht. Geschmacksache.
Assistiert und vernetzt wird nach den heutigen Regeln der Kunst, für das Handy gibt es eine induktive Ladeschale. Der mit Radar hinter dem Markenzeichen vorn arbeitende Notbremsautomat erkennt nicht nur Autos, sondern jetzt auch Fußgänger ab 1,20 Meter Größe.
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Den neuen Tiguan gibt es handgeschaltet, vorderradgetrieben und basisausstaffiert ab 30 025 Euro. Vier Benziner und vier Diesel zwischen 115 und 240 PS umfasst die Palette, wenn sie vollständig ist. Der Benziner klingt öde und ist durstiger. Vermutlich schnürt der 150 PS starke Diesel mit Siebengang-Doppelkupplung und Allradantrieb in der mittleren Ausstattungsstufe Comfortline das attraktivste Paket, es erfordert 35 950 Euro zuzüglich Extras. Es gibt zunächst zwei in der Karosserieform sich leicht unterscheidende Linien, Onroad und Offroad. Die sportlich orientierte R-Variante folgt.
Natürlich schreit der gewachsene Tiguan, den es vor allem für Amerika und China auch als siebensitzigen XL geben wird, nach kleineren Geschwistern. Im nächsten Jahr ist der Zuwachs zu erwarten, zunächst das SUV auf Basis des Golf, danach auf Basis des Polo. Da hat VW im Gegensatz zum etablierten Tiguan echten Nachholbedarf.
Komplett hier:
http://www.faz.net/aktuell/tec…uemmertheit-14170941.html